Microsoft Teams soll in rheinland-pfälzischen Schulen verboten werden: Ist unsere Regierung von allen guten Geistern verlassen?

Adis Jugo
4 min readFeb 21, 2021

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Dieser Post wird emotional, aber anders kann ich ihn nicht schreiben: Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat soeben den völlig sinnlosen und vor allem schädlichen Entschluss gefasst, Microsoft Teams in den Schulen unseres Bundeslands zu verbieten. Die Begründungen für diesen Entschluss, zumindest die öffentlichen, basieren auf Unwahrheiten. Darüber, ob es andere, geheime Gründe für diese Entscheidung gibt, und welche, können wir nur mutmaßen.

Denken wir an die Zeit vor einem Jahr zurück und erinnern wir uns an den Beginn der Pandemie und den ersten Lockdown. Alle unsere Schulen waren völlig unvorbereitet, es gab nicht den geringsten Plan, und die Verantwortlichen haben den pathetischen Eindruck einer völligen Inkompetenz hinterlassen. Rheinland-Pfalz glich in diesen Augenblicken einem Entwicklungsland: Den Kindern wurden gedruckte Materialien in Briefkästen verteilt, bestenfalls wurden die Materialien per E-Mail verschickt (meist von den privaten E-Mail-Adressen der Lehrer an die E-Mail-Adressen der Eltern) — eine der beiden Schulen, die unsere Kinder besuchen, hat zu diesem Zweck auf die Schnelle E-Mail-Adressen auf der kostenfreien Domain web.de erstellt. Nach vier Jahren an der Macht (die Regierungspartei nach 30 Jahren!) hatte die rheinland-pfälzische Regierung nicht ansatzweise einen Plan für eine Situation wie diese.

Wie immer hat die „natürliche Allianz“ aus LehrerInnen und Eltern ausgeholfen: In vielen Schulen haben engagierte LehrerInnen, denen große Dankbarkeit gebührt, auf Ebene ihrer Schulen die Nutzung von Technologien durchgeboxt, die Fernunterricht ermöglichen, oft mithilfe von Eltern, die IT-Experten auf diesem Gebiet sind. Ich habe gerne bei der Implementierung von Microsoft Teams im SGG Bingen geholfen, und kenne mehr als dreißig Kolleginnen und Kollegen, die sich auf ähnliche Weise in Schulen in ganz Rheinland-Pfalz und Deutschland eingebracht haben. In einer Zeit, in der die Verantwortlichen gezeigt haben, wie komplett unvorbereitet und unkompetent sie sind, aber auch unglaublich ungewillt, sich dem „Neuland“ zu stellen, funktionierte die Allianz aus LehrerInnen und Eltern: Für den zweiten Lockdown waren wir gerüstet.

Unsere beiden Kinder nutzen zwei verschiedene Systeme: Big Blue Button in der Grundschule unserer Tochter, eine Plattform, welche die rheinland-pfälzische Regierung für den zweiten Lockdown „vorbereitet“ hat, indem sie die Installtion und Konfiguration dieser Software bezahlt hat; und die völlig kostenfreie Plattform Microsoft Teams im Gymnasium, das unser Sohn besucht. Ich glaube, es ist unnötig zu erwähnen, welche dieser beiden Softwares funktioniert. Die Inkompetenz unserer Regierung setzt sich fort, nur dass wir jetzt für diese Inkompetenz noch Steuergelder verwenden, in Form von Zahlungen an Dienstleister für die Konfiguration und Wartung eines schlecht funktionierenden Systems wie Big Blue Button, in das sich zu Stoßzeiten manchmal bis zu 50% der Schülerinnen und Schüler nicht einloggen können. Das sind die Lösungen, die unsere Regierung vorantreibt, und mit unserem Geld bezahlt.

Und genau darin liegt wahrscheinlich der Grund des Verbots von Microsoft Teams: Die meisten Schulen haben sich, ganz logischerweise, für die Software entschieden, die funktioniert, und nicht für diejenige aus dem „Deal“ unserer Regierung. Die Gründe, die der Landesdatenschutzbeauftragte Dieter Kugelmann anführt, beruhen allesamt auf Unwahrheiten: Alle Microsoft-Teams-Daten für deutsche Schulen werden in Deutschland gehostet. In den Dienstleistungsbedingungen wird für Microsoft Teams klar angegeben, was Microsoft darf, und was nicht — sämtliche Gründe, die Kugelmann anführt, sind kompletter Nonsens. Teams wird weder zur Erstellung von Schülerprofilen genutzt, noch zu Werbezwecken — das kann jeder sehr leicht nachprüfen. Zudem haben alle Schulen zusätzliche Schutzmaßnahmen getroffen, wie das Nuten von abgekürzten Logins statt der vollständigen Namen der Schülerinnen und Schüler, doch das hätten sie mit jeder anderen Software auch getan, unabhängig davon, wie sie heißt und wo sie gehostet wird. Das Beispiel, das Kugelmann in seinem 10-Punkte-Papier anführt, dass Amazon einen Kommentar aus einem Kindle-Buch gelöscht hat, wäre amüsant, wenn es nicht so traurig wäre: weder hat Amazon irgendetwas mit Microsoft zu tun, noch Kindle mit Teams oder Schulen.

Kugelmann sagt also nicht die Wahrheit. Warum, und welche Interessen dahinterstehen, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass seine Worte nicht der Wahrheit entsprechen. Es muss noch erwähnt werden, dass auch die Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) Herrn Kugelmann unterstützt: diejenige Person, die für das völlig inkompetente und unvorbereitete „Handeln“ in der Zeit der Pandemie die größte Verantwortung trägt.

Vor einem Jahr hat unsere Regierung „nur“ Inkompetenz an den Tag gelegt. Heute arbeitet sie aktiv an der Zerstörung dessen, was sie selbst nicht schaffen konnten, sodass andere ihre Arbeit erledigt haben: den Aufbau eines funktionierenden Fernunterrichts für unsere Kinder. Uns bitten sie in ein paar Wochen um ein neues Mandat, um weitere fünf Jahre schädlichen Wirkens. Hiermit rufe ich alle Eltern und Großeltern unserer Kinder auf, ihnen dieses Mandat nicht zu geben: Sie haben es nicht verdient.

Adis Jugo

Vater eines Sechstklässlers am Gymnasium und einer Drittklässlerin. Unternehmer und Informatiker, der sich in den letzten 30 Jahren auf das Thema digitaler Arbeitsplatz spezialisiert hat. Initiator des European Collaboration Summit in Mainz und Wiesbaden, des größten europäischen Fachkongresses, der sich unter anderem mit dem Thema Microsoft Teams befasst.

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Adis Jugo

Lives besides the oldest vineyard in the Rhine valley. Prefers collecting stories to collecting possessions. Can make his wife and kids laugh anytime.