Liebes Deutschland, es tut weh, es zu sagen, aber wir sind ein Technologie-Zwerg
Lehren aus der Pandemie, deutsche Ausgabe.
Liebes Deutschland, es tut weh, es zu sagen, aber wir sind ein Technologie-Zwerg. Wir halten an unseren Dieselautos und unserer „das haben wir schon immer so gemacht“-Haltung fest. Und dieses Mal sind es unsere Kinder, die den Preis für unsere technologische Inkompetenz bezahlen, und dafür, dass wir das Internet als „Neuland“ bezeichnen.
Während in Ländern wie Finnland, Singapur, Dänemark und Bosnien (im Kanton Sarajevo) die Schulbildung übergangslos auf E-Learning umgestellt wurde, und während in Ländern wie Kroatien, Ungarn, Serbien, Portugal und Bosnien (außerhalb des Kantons Sarajevo) Berge versetzt wurden, um innerhalb von ein paar Tagen E-Learning für die Kinder zu ermöglichen (nicht reibungslos, aber immerhin!), legen wir nichts als ein erschütterndes Maß an Inkompetenz und Widerwillen an den Tag, irgendetwas zu unternehmen.
Die Länder, die ich oben genannt habe, sind nur die, von denen ich — dank meiner Freunde, die dort leben — sicher weiß, wie die Situation vor Ort ist.
Es würde mir noch nicht einmal so viel ausmachen, dass wir technologisch hinterherhinken — wir haben Geld, und wir haben Leute, die helfen können, das in sehr kurzer Zeit zu ändern. Es ist die Mentalität. Es ist das „wir haben keine Ahnung, was wir tun, aber wir tun es, weil wir es immer so gemacht haben“ der Rektorinnen, Lehrerinnen und vieler Eltern, was wirklich erschreckend ist.
Ich finde es entmutigend, dass beide Schulen, die meine Kinder besuchen, mein Angebot, ihnen kostenlos zu helfen, nicht angenommen haben. Oder noch nicht einmal mit mir reden wollten. Seit 2003 arbeite ich in diesem Bereich und halte weltweit Workshops und Vorträge über genau dieses Thema. Ganz unbescheiden: Ich weiß eine Menge über dieses Thema, und ich kann helfen — sofort. Aber auch noch viele andere. Wir sind hier, in euren Communities, in eurer Nachbarschaft, und ich bin sicher, alle diese Leute sind bereit zu helfen. Es könnte mir nicht gleichgültiger sein, ob „meine Technologie“ verwendet wird, oder irgendeine „andere Technologie“, solange sie genutzt wird. Solange der Wille besteht, sie zu nutzen. Zum Vergleich: Eine Kollegin von mir, eine Ungarin, wurde gebeten, die ganze Woche über den Schulen, LehrerInnen und Eltern zu helfen. Aber das ist Ungarn, nicht Deutschland.
Leider besteht die Implementation des E-Learnings, mit dem meine Kinder konfrontiert sind, in der Zustellung ausgedruckter Aufgaben per Post (!!!) und der Organisation von zwei Zoom-Calls pro Woche, einem am Montag, und einem am Freitag. Und das ist die bessere Variante (unsere örtliche Grundschule). Die andere Schule (das Gymnasium) hat gar nichts unternommen. Buchstäblich gar nichts. Mich stört nicht das fehlende Know-How, das kann leicht behoben werden. Ich bin verwundert über den Widerwillen, etwas dazuzulernen. Und das bei den Menschen, deren Aufgabe es ist, unsere Kinder zu unterrichten.
Mein liebes Deutschland: Die Zeit der Pandemie ist die richtige Zeit, uns zu fragen, ob uns das Festhalten an der Produktion von Dieselautos und der Zustellung von Schulaufgaben per Post (oder bestenfalls per E-Mail), was wir dann E-Learning nennen, etwas bringt. Es war noch nie so offensichtlich wie jetzt, dass die Welt an uns vorüberzieht und uns um Jahre zurücklässt. Dies ist der richtige Zeitpunkt, uns zu fragen, ob all die bürokratischen und mentalen Bürden, die wir uns auferlegen, es wirklich wert sind.